Frankfurter Rundschau, 20.11.2001


Opulente Klangkörper


Wo man das Heil in der Romantik sucht: Die Nokia Night Of The Proms 2001 in der Festhalle

Von Wolfgang Spindler

Konzerten, die einen großen Sponsor aus der Industrie hinter sich haben, haftet längst nichts Ungewöhnliches mehr an. Der Inhalt des Gebotenen muss mit dem Kerngeschäft des Financiers nichts zu tun haben. Auch die „Night Of The Proms“, die nun zum 17. Mal im deutschsprachigen Teil Europas und in Benelux unterwegs ist, dürfte es schwer haben, einen Zusammenhang zwischen den Wohlklängen klassischer Musik und der Invasion der Bimmeltöne des Handy-Zeitalters herzustellen: Beethoven zum Piepen, Hummelflug zum Verrücktwerden, MP3s in der Warteschleife, da stabreimt sich Kunst auf Kakophonie, mehr nicht.
Der Neuauflage 2001 des „Night Of The Proms“-Spektakel, das großes klassisches Orchester, großen Chor und große Interpreten der Rockmusik durch große Hallen schickt, gelingt immerhin, was in den Vorjahren kaum der Fall war: ein kohärenter musikalischer Rahmen ohne allzu viel Kirmes-Atmosphäre. Die Faxen mit hupfdohlenden E-Musikern und peinigenden Jovialitäten des Frankfurter Moderators Tobias Geißner hielten sich diesmal in Grenzen, und die Auswahl der Stargäste von Martin Fry (Ex-ABC), Karl Jenkins (Ex-Soft Machine), Chris de Burgh, Laith Al-Deen und Meat Loaf kann man nur als gelungen bezeichnen. Sie sind mit Ausnahme von Jenkins stimmstarke Sänger, denen die große Kulisse liegt. Fast alle haben Erfahrung mit opulenten Klangkörpern, und die hitparaden-erprobten Kompositionen kommen zu pompöser Wirkung. Das klassische Ambiente des Orchesters Il Novecento und des Chores Fine Fleur unter der Leitung von Robert Groslot wechselt von Jahr zu Jahr kaum: Dvorak, Grieg, Liszt, Brahms, R. und J. Strauss sind Säulen der „Popmusik der letzten 250 Jahre“, deren Präsentation die kontinentale Variante der „Night Of The Proms“ zum Programm gemacht hat.
Das beschwört überwiegend eine Art von musikalischer Romantik, die in Mythen ihr Heil sucht, in diesem Jahr im Keltischen. Der walisische Komponist Karl Jenkins hat längst die anstrengenden Pfade von Soft Machine verlassen und sich mit seinem Projekt Adiemus der esoterischen Klangmalerei verschrieben; in Frankfurt spielte er unter anderem „Only Time“, den Enya-Hit zum World-Trade-Center-Einsturz. Enya ist irisch wie Chris de Burgh und wie er „High On Emotion“. Der deutsche Soul-Sänger Laith Al-Deen sieht „Bilder Von Dir“, „In Alle Ewigkeit“. Und der brave Meat Loaf erblickt noch immer das „Paradise By The Dashboard Light“ and „Would Do Anything For Love - But Not That!“ Doch er tut’s, stimmlich auf alter Höhe mit übertrieben langen Kunstpausen zwischen den Gesangszeilen: selbstbewusst im Nach-Zenith der Karriere und gesanglich meisterhaft: ein opulenter Klangkörper eben. Die Night Of The Proms: Massenandrang in der Festhalle, gut gespielte Musik. Ein Schönklang zum Jahresausklang. Überdies tontechnisch sehr gelungen.



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